Öuhei, na?
Ich bin ja n ziemlicher LinkedIn-Suchti. Andere haben das Problem mit TikTok oder Instagram. Gut, TikTok habe ich schnell wieder gelöscht und Instagram verstehe ich bis heute nicht so richtig. Wie ich mich mit Instagram anstelle, muss auf etwaige Betrachter:innen etwa so wirken, wie Eltern, die einen anrufen, wenn irgendwas mit deren Rechner nicht funktioniert. Jede:r kennt die Art der Dialoge, die sich dann entwickeln …
Mutter: Ich wollte dir diese tollen Seiten über Archäologie zeigen, du hast dich doch als Kind so für Pyramiden interessiert, aber jetzt sind alle weg UND DABEI HAB ICH NIX GEMACHT!
Kind: Naja, wenn du nix gemacht hast, dann müsste alles noch da sein … öffne doch einfach mal den Browser.
Mutter: Hab ich nicht.
Kind: …
Mutter: …
Kind: Wie gehst du denn ins Internet?
Mutter: Na hier - mit dem Fox!
Kind: Na, dann mach das mal auf.
Mutter: *Öffnet den Windows Explorer* … *klickt auf "Laufwerk C"* … *klickt auf "Programme"* … *klickt auf "Firefox"* … klickt auf "firefox.exe"* … Siehst du, da ist nix!?
Kind: Warum machst du das denn so kompliziert?
Mutter: Ich habe das IMMER so gemacht!
Kind: Naja, okay, jedenfalls - wo hast du denn immer deine Seiten gespeichert?
Mutter: Bei den Lesezeichen. ABER JETZT SIND ALLE WEG
Kind: Sucht die Einstellung "Lesezeichenleiste anzeigen" und rettet den Tag und den eigenen Ruf als IT-Fachkraft.
Jedenfalls: Ähnlich unbeholfen gestaltet sich auch mein Zugriff auf modernere Apps (wie beispielsweise Instagram). Und das hat eine Vorgeschichte! Es war ein Schock, als Microsoft eine damals vollkommen neuartige GUI namens "Ribbon"-Menü im Office-Paket einführte. Übrigens aus wirklich guten Gründen, wie man in PCWelt von 2008 nachlesen kann. Trotzdem: Bis heute vermisse ich die alte, für mich intuitiver begreifbare Menü-Struktur. Was sind schon 15 Jahre!
Nichtsdestotrotz sind sowohl der Schritt als auch der Schnitt verständlich. Die (vielen, teils komplexen) Funktionen der Office-Suite sollen den Usern auf eine zugängliche, naheliegende Weise dargeboten werden. Wie sich Tastatur-Layouts nach der jeweiligen Sprache und den in ihr gehäuften Buchstaben richten, richtet sich das User-Interface der Office-Software danach, wie sich die Funktionen in die jeweiligen Workflows einfügen.
Okay, der Vergleich hinkt ein wenig: Um die Tastatur (als solche ja ebenfalls eine Mensch-Maschine-Schnittstelle) besonders effizient bedienen zu können, muss dies erlernt und geübt werden.
Ziel der Bemühungen der MS-Office- und anderer Entwickler-Teams ist es ja eben, dass die Bedienung von Software gerade nicht mühevoll erlernt werden muss, sondern sich zumindest die gängigeren Funktionen selbsterklärend darstellen. Das Ideal ist ein großer Funktions-Umfang bei kinderleichter Bedienbarkeit. Unter dem Schlagwort UX/UI (altertümlich Ergonomie genannt) beschäftigen sich interdisziplinäre Teams aus Entwicklerinnen, UX Designern, Marktforschern und Psychologen seit Jahren mit der Annäherung an dieses Ideal. Und zwar einfach, weil man nicht voraussetzen will und kann, dass Anwender:innen selbst IT-Fachkräfte sind, sondern mit irgendeiner anderen Thematik betraut sind, für die sie IT-Unterstützung benötigen, aber eben derart, dass man selbst kein IT-Experte sein muss. Die technische Funktionalität, das heavy lifting, soll unter der Haube versteckt bleiben. Wie man zum Autofahren kein KFZ-Mechaniker sein muss, soll man für das Bedienen komplexer Software kein IT-Experte sein müssen. Was immer mehr auch für Enterprise-Software gilt, je gewöhnlicher der Umgang mit komplexen Apps (Steuererklärung per Draufrumpatschen zum Beispiel) ist. Profi-Software-Ausnahmen bestätigen die Regel.
Womit wir wieder bei LinkedIn und den IT-Fachkräften wären.
Ersteres ist ein Soziales Netzwerk, innerhalb dessen sich Menschen unter anderem gegenseitig zeigen, wie toll sie jeweils sind, das aber auch als Job-Plattform fungiert und das ich mag, weil mir die anderen zu kompliziert (und zu bunt) sind.
Letzteres ist eine gesuchte Rarität. Wie auch überhaupt alle anderen Fachkräfte. Und das ist doch irgendwie seltsam. Erstens, weil das schon so ist, seit ich die Zeitung lesen kann. Kann es etwa sein, dass sich seither einfach niemand darum gekümmert hat? Und zweitens, weil … nun, war es nicht irgendwann mal das Versprechen der Digitalisierung, dass Arbeits-Vorgänge mal deutlich einfacher werden würden? Dass man weniger menschlichen Einsatz, weniger Fachkenntnisse, weniger Spezialwissen, Ressourcen für die selben - nein! - sogar für mehr und bessere Ergebnisse brauchen würde? Irgendwie scheint sich das nicht zu bewahrheiten: Allenthalben werden Fachkräfte gesucht! Und auch ich muss immer noch arbeiten, dabei bin ich schon Mitte 30. Ich wüsste weiß Gott besseres mit meinem Leben anzufangen. Erdbärchen züchten beispielsweise. Das macht sich auch nicht von alleine!
Wohlan, was ich nicht ändern kann, muss ich akzeptieren. Doch wer (als Fachkraft) die Perspektive der angeblich so händeringend Gesuchten einnimmt, erlebt die eine oder andere Überraschung.
In meiner letzten Bewerbungsphase erlebte ich unter anderem Unternehmen, die sich eigentlich nicht so ganz sicher sind, was sie eigentlich für eine Person suchen und was die ausgeschriebene Rolle eigentlich bezwecken soll, Personalverantwortliche, die sich nicht zurückmelden und Hiring Manager, die mit großem Enthusiasmus zum Kennenlernen einluden, um dieses dann mit einem jovialen "Sie wissen ja wohl, dass Ihr Lebenslauf alles andere als der Traum eines jeden Personalers ist?” zu eröffnen.
Trotzdem: Der Fachkräftemangel ist keine Medaille mit zwei Seiten, sondern eher so ein komischer Klumpen mit einer glatten und einer holprig-hubbeligen Seite.
Im Blog habe ich diese Hubbeligkeit versucht abzubilden:
New Bits on the Blog
Die ewige Widerkehr des immergleichen Fachkräftemangels
Über den Fachkräftemangel wird debattiert, seit ich denken kann. Gelöst wurde das Problem offenbar noch nicht, denn auch jetzt wieder beherrscht es die Branchen-News. Obwohl es wichtigeres gibt. Wenn es tatsächlich einen Mangel an Fachkräften gibt, muss man sich ein paar Gedanken machen. Im Blog mache ich beides: meinen Senf dazu geben und ein paar Gedanken.
Fachkräftemangel hin und her, was die da oben machen und so, darüber kann man ja jammern und motzen, indes: Es bringt einen nicht weiter. Unternehmen müssen sich also höchstselbst eingestehen, dass Personalarbeit heute nicht mehr so funktionieren wird, wie in der letzten Generation. Was Unternehmen – insbesondere HR-Abteilungen – beachten sollten, um der Suche nach Fachkräften hier und da auch mal ein Finden entgegenzusetzen, ist eine ziemlich lange Liste mit eigentlich ziemlich selbstverständlichen Kleinigkeiten geworden. Bekannterweise macht die Dosis das Gift.
Den Link zur geballten HR-Toxizität gibt’s im nächsten kibibetter. Bis dahin hilft vielleicht dieser ebenfalls in ärgerlichem Tonfall vorgetragene Klassiker.
KIBI-BITES
Was die Kibibitse in den vergangenen Wochen so beschäftigt hat – Artikel, Bücher, Filme, News.
Viele nehmen das (nicht mehr ganz so) neue Jahr zum Anlass für mehr Mindfulness und dafür, sich mehr auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu besinnen. Wer noch einen Schritt weitergehen möchte, kann sich einmal auf Innerbody umschauen. Die Seite bietet eine äußerst detaillierte, visuelle Aufschlüsselung des menschlichen Körpers. Man kann jeden Abschnitt des Körpers vergrößern und verkleinern, um den genauen Namen, die Beschreibung und die Lage selbst der kleinsten Körperteile zu erfahren - wer wollte nicht schon immer mal wissen, was die Milz eigentlich macht?
Ich habe schon viele Essays, Interviews und Kommentare zum Thema KI-Ethik gelesen, aber dieses Werk [EN] sollte jede:r lesen, ob Entwickler oder nicht. Ohne technisch zu sein, veranschaulicht Jenny Zhang die vielen ethischen Überlegungen und moralischen Dilemmata, mit denen wir in einer Zukunft konfrontiert werden, in der Entscheidungen zunehmend an Maschinen ausgelagert werden.
Mit dem Alter lernt man, die kleinen Dinge im Leben zu schätzen, heißt es. Die ukrainische Künstlerin Tatyana hat sich auf die Gestaltung kleiner Dinge spezialisiert. Aus einer Reihe von Materialien stellt sie kleine Versionen von Lebensmitteln, Kleidung und anderen Gegenständen her, die in eine Handfläche passen.
Berthold Seliger - Klassikkampf - "Es geht um wenig, und darum wird es existenziell", schmähte Thomas Steinfeld in der Süddeutschen Zeitung Berthold Seligers tatsächlich ziemlich agitpropig geratene Auseinanderlegung von etwas, was man vielleicht die objektive Qualität ästhetischer Artefakte nennen muss. Schwierig. In "Klassikkampf" geht es insgesamt drunter und drüber. Berthold Seliger, being Berthold Seliger, kämpft für eine Klassik jenseits des Kommerz mit seinen Marktdynamiken und entsprechenden (übersexualisierten und unterkomplexen) Auswüchsen und macht das per Unendlichkeits-Roundhouse-Kick. Kein Wunder, dass ihm - und somit auch dem Leser - schwindelig wird.
Indes: Es lohnt, sich darüber Gedanken zu machen, warum wir Musik hören, und was eine Musik zu einer macht, die wir schätzen können. Von dort aus kann man überlegen, welche Musik aus welchen Gründen gesellschaftliche Relevanz hat und ob und wie man den Status Quo beispielsweise durch gezielte Förderung beeinflussen sollte. Ist Musik eine gesellschaftliche Aufgabe?The Rich Are Only Defeated When Running for Their Lives - Das Album von Anthony Joseph, von dem ich noch nie gehört hab, ist schon im Frühjahr 2021 erschienen, hat es aber erst jetzt in meine Ohr-, Hirn- und Bewusstseinswindungen geschafft. Der Titel ein Zitat aus dem Buch "Die schwarzen Jakobiner" des Historikers und Journalisten C.L.R. James über die Revolution in Haiti, die 1804 zur ersten Staatsbildung ehemaliger Sklaven führte, der Inhalt eine Basis von tightem Hipster-Jazz voller Zitate, darauf Sprechgesang, der in der U.K.-Kolonial-Scham rumpult. In "Calling England Home" erzählt Joseph Geschichten von Einwanderern, die zu unterschiedlichen Zeiten in England ankamen. Wie kann der Usurpator Heimat sein? Ein Haufen Querverweise und Zitate wird Gegenstand weiterer Forschung sein müssen.
Encore
Übrigens, die Memes oben sind bei Adam Karpiak geklaut, einem LinkedIn-HR-Influencer, der ziemlich oft ziemlich viele Nägel ziemlich genau auf ihre Köpfe trifft.
So viel für heute. Gehab Dich wohl! Tschö mit ö! Bis zum nächsten kibibetter. Oder wir treffen uns auf LinkedIn! Also da. Oder dort. Und wenn Du das hier gern gelesen hast: #sharingiscaring – Danke!