Öiho!
Dieses ganze Konstrukt Arbeit ist schon schräg, oder? Zumindest geht es mir so: Je länger ich dabei bin, desto stärker fallen mir die Ungereimtheiten auf.
Eine davon: In der Arbeit (seltener: “auf Arbeit”) wird verhältnismäßig wenig über das Konzept Arbeit gesprochen. Natürlich spricht man viel über die Arbeit – also inhaltlich: Wer macht grad was und warum und bis wann und welche Ergebnisse erhofft man sich und ist das nicht komplett blöde, was Jacques und Andi da grad verzapfen, sie hätten doch viel besser … und so weiter. Aber es wird typischerweise wenig über das Konzept Arbeit reflektiert.
Die Reflexion über Arbeit findet mehrheitlich im akademischen Kontext statt.
Also da, wo wenig Arbeit im Sinne der Lohnarbeit stattfindet (abgesehen vom großteils im Prekariat versumpfenden Lehrbetrieb und der publizistischen Verhackstückung der gelehrten Reflexionen im Mittelbau der Lehr- und Forschungsstätten).
Nun kann man natürlich sagen, das sei völlig normal: Man braucht schließlich eine gewisse Distanz zum Objekt der Anschauung.
Du liest gerade den kibibetter – einen Newsletter von Matze Nowak und Kerstin Mayr, in dem wir alle vierzehn Tage unsere Gedanken, Kuriositäten, dubiose Netzfunde und gewissenhafte Rants zu unseren liebsten Themen Marketing, Digitalisierung, Kommunikation und Organisation teilen. Wenn Du uns regelmäßig lesen möchtest, melde Dich hier an:
P.S.: Falls Du Gmail nutzt, kann es sein, dass der kibibetter unten abgeschnitten wird. Klick in dem Fall unten links auf “View entire Message”, um die ganze Mail zu sehen.
Genossen Visionäre
Speaking of Distanz: Ich bin total gespannt, wie es meinen ehemaligen Kommilitonen damit geht. Viele von ihnen waren ihrer Zeit voraus, geradezu visionär: Sie fanden Arbeit schon scheiße, bevor sie überhaupt damit angefangen haben.
Ok, das stimmt natürlich nicht ganz. Sie haben eine Menge Arbeit geleistet, im Sinne von: Sie bildeten sich selbst – und damit die gesamte Menschheit – weiter. Sie lasen viel und machten sich Gedanken. Marx, Gramsci, Kropotkin, Foucault, Althusser … Zugegeben: Mir rauchte oft schon der Kopf, wenn es den Marxisten noch um Begriffsklärungen ging.
Zum Glück genoss ich den Vorteil der Fähigkeit vernetzten Denkens; so war es mir möglich, die ca. 20 bis 30 Watt, die das menschliche Gehirn (auch meins!) umsetzt, in Relation zur Idee der Arbeit zu setzen – ist denn Energieumsatz nicht auch irgendwie Arbeit? Wer nicht lügen muss, dem fällt die akademische Koketterie (“Puh, ich habe mich da wirklich reingearbeitet, aber ich check’s trotzdem nicht …”) gleich viel leichter!
Nun, jedenfalls: Meine Uni-Freund:innen machten immer ein ziemliches Bohei um Arbeit – sie unterschieden vehement zwischen kreativer Arbeit, physikalischer Arbeit, emotionaler Arbeit, produktiver Arbeit, Beziehungsarbeit und allen möglichen anderen Arten von Bemühungen einerseits. Und Lohnarbeit andererseits.
Sie hätten es gewiss nicht so recht zugeben wollen – doch standen sie damit in einer vulgär-sprachphilosophischen Tradition. Sie kritisierten insbesondere den Umgang mit dem Begriff Arbeit. Das ging ungefähr so:
Da Lohnarbeit, also die kapitalistische Perversion eines unterstellten einstigen intuitiven Produktivitätstriebs des Menschen, den Begriff der Arbeit über Gebühr präge, nähmen auch sämtliche andere mit Produktivität oder Mühe assoziierten Tätigkeiten die pervertierte Logik des Kapitalismus in unangebrachter Weise auf, spiegelten sie und perpetuierten sie weiter in die ganzen gar-nicht-mal-so-individuellen Lebenswelten hinein. Sprache mache ja Realität und so weiter und so fort.
Distanz: Nice to have, aber kein Allheilmittel
Nun, jedenfalls findet die Reflexion über Arbeit zu einem großen Teil in einem arbeitsfernen Kontext statt: In der Uni.
Diese Distanz darf man keinesfalls als hinreichende Bedingung für das Gelingen des Unterfangens Reflexion missverstehen: Das wird schon illustriert durch die die ziemlich große Menge des Bullshits, der aus Forschungsinstituten heraus veröffentlicht wird.
Sie ist aber durchaus notwendige Bedingung für die Reflexion über Arbeit. Das wiederum illustriert die GEWALTIGE Menge von Bullshit, der aus wirtschaftsnahen Umfeldern veröffentlicht wird.
Richtig spannend (lies: “schlimm”) wird es aber, wenn diese Gräben überwunden werden sollen.
Das passiert entweder dadurch, dass Kollaborationen zwischen Unternehmen und Forschungsinstituten zu Zwecken der beidseitigen Legitimierung und Reputationserhöhung eingegangen werden. Die Ergebnisse (es wird meist so getan, als gäbe es welche) sind meist wenig mehr als verachtenswerte Kompromisse aus diversen Uninteressantheiten ohne Relevanz.
Oder indem Unternehmen (sogenannte, vermeintliche oder sich akademischen Anschein gebende) Erkenntnisse aus der Forschung heranziehen, um mit ihrer Hilfe an sich selbst zu arbeiten.
Scheiße und Luftzug
Im Englischen existiert für solche Momente eine bildhafte Umschreibung, die in ihrer Kompaktheit eine gewisse Drastik transportiert, derer die deutsche Übersetzung nicht fähig ist: That’s when the shit hits the fan.
Das ist der Moment, an dem die Scheiße auf den Ventilator trifft. Denn wenn es in Unternehmen um Selbstreflexion gehen soll, geht das meistens schief.
Aber wie komme ich eigentlich darauf? Ach genau:
Das verflixte Poesiealbum für den Teamzusammenhalt
In einem Unternehmen, in dem ich gearbeitet habe, gab es einen so genannten Guide to Working With Me. Hierbei handelte es sich um eine Art Handbuch wie mit einem selbst umgegangen werden solle. Ein Fragebogen zu den eigenen Eigenheiten, Gewohnheiten und Vorlieben im Hinblick auf die Kommunikation mit anderen, das Teamverhalten und dergleichen mehr musste von allen Mitarbeitenden ausgefüllt werden und wurde alsbald, begleitet von einem gewissen Tamtam, der Firmenöffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Obwohl ich solchen Sachen immer ein bisschen skeptisch gegenüberstehe, hielt ich es zunächst für eine ziemlich coole Idee. Schließlich tickt ja jede:r anders und ich dachte: Eine Art User Handbook ist da nicht verkehrt. Das Ding hatte einen gewissen Poesialbum-Charakter und war schnell ausgefüllt: In sechs Feldern hatte man Platz für Meine Stärken, Dinge, die Menschen an mir missverstehen, Die beste Art mit mir zu kommunizieren, Was mich ungeduldig macht und Ich schätze diese Qualitäten bei meinen Mitmenschen.
Nach dem Sichten einer Handvoll dieser Poesiealben hat sich meine Meinung grundlegend geändert. Denn: Solche Guides haben mehrere Probleme, die eigentlich wenig überraschend sind. Wenn man denn mal drüber nachdenken würde – und zwar bestenfalls im Voraus.
Erstens: Chef liest mit.
Wer würde schon unter “Meine Stärken” schreiben, er/sie wisse es eigentlich nicht so ganz. Oder: “Ich bin gut darin, Menschen zu manipulieren, am Ende kriege ich was ich will”? Nicht mal hartgesottene Vertriebler würden das in ein firmeninternes Poesiealbum schreiben. Stattdessen überwogen die erwartbaren(!) Gemeinplätze: Geduld, Strukturiertheit, Sturheit, “Ich gebe mich nie zufrieden mit mittelmäßigen Lösungen”-Blabla und dergleich. Das übliche Zeug halt. Das, was die Leute hören wollen.
Das Feld “Things people might misunderstand about me” war ähnlich gleichförmig: Kolleg:in nach Kolleg:in wünschte sich hier Verständnis dafür, dass sie “abwesend scheinen, wenn sie konzentriert arbeiten”. Im Feld “Das macht mich ungeduldig” versammelten meine Kolleg:innen natürlich ebenfalls Formulierungen, die sie selbst in – scheinbar! – beste Lichter rücken sollten: “Wenn man ineffizient ist” oder “Wenn man in Meetings abschweift” etc. pp.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Mitarbeitende sich in solcherlei Fällen der Hierarchie und den unterstellten Erwartungen in einer Art vorauseilendem Gehorsam beugen. Alles andere wäre ja auch bescheuert. Wenn mein Publikum aus Kolleg:innen und Chefs besteht, gilt: Sicher ist sicher.
Zweitens: Narzissmus vs. Team-Gedanke
Ein so geartetes Poesiealbum gibt jedem eine ganz individuelle Bühne, ein Outlet für den eigenen Narzissmus. Jede:r kann schreiben: “Ich bin so fucking effizient, dass es manchmal schon richtig weh tut!” und sich auch noch des Applauses sicher sein. Allein – sollte man etwa nicht applaudieren? Die innerfirmliche Dynamik empfiehlt mir im Unternehmenssinne zu klatschen. Alle wissen das, auch die beklatschten. Den psychologischen Effekt schmälert das nicht allzu sehr: Wer bestätigt wird, fühlt sich auch bestätigt. So besorgt der Guide To Working With Me eine Bühne für den Narzissmus der einzelnen. Steht das dem Team-Gedanken nicht radikal entgegen?
Drittens: Was bedeutet eigentlich “Organisation”, heh?
Was hätte man eigentlich davon gewonnen, wenn bei – sagen wir mal – 30 Personen in einer Organisationseinheit 30 verschiedene Antworten eingehen zu der Frage wie man am liebsten kommuniziere?
(In diesem Fall war das übrigens die Gesamtgröße des Unternehmens, was allein schon zu einer gewissen Lächerlichkeit gereicht …)
Einem ist es am liebsten, alles in wöchentlichen Meetings zu besprechen, die nächste kommt am besten mit Kurznachrichten klar, ein dritter befürwortet die Kommunikation per E-Mails, die morgens und abends beantwortet würden und wieder jemand anderes beschwört lukullisch katalysierte Entscheidungsfindungen: Je wichtiger die Frage, desto eher sei sie in der Kaffeeküche zu klären.
Wird nun von den Mitarbeitenden tatsächlich verlangt, diesen individuellen Vorlieben Folge zu leisten? Das ist ganz offensichtlich wenig praktikabel, und zwar nicht nur, weil das im Zweifel unnötige Zeit kostet. Sondern auch, weil es hieße, dass man vor jedem Kommunikationsvorhaben die jeweiligen Mitarbeiter-Handbücher zu konsultieren und entsprechende Wege zu gehen hätte. Zudem müsste man ja im Zweifel den von einem selbst favorisierten Kommunikationsweg verlassen.
Na, das ist aber doch eine blöde Situation: Das Hinwegsetzen über die mühevoll erarbeiteten und feierlich miteinander geteilten Handbücher würde nun das Signal senden, man hätte das Interesse nur vorgetäuscht. Und wer will denn eine Empathie vortäuschende Geschäftsführung?
Das Befolgen der Ergebnisse ist aber offenbar auch Blödsinn.
Der notwendigerweise gefakten Selbstreflexion jedenfalls gelang es also im Endeffekt, sämtlichen Betroffenen Aufwand zu machen – man muss schließlich (im Sinne der strategischen Kommunikation) darüber nachdenken, was man am besten auf solche Zettel schreibt!
(Denn wer hier nicht strategisch kommuniziert, hat entweder die Entrepreneur- und Selbstoptimierungs-Logik vollständig gefressen oder ist komplett verstrahlt oder sehr, sehr naiv. Oder dumm. Oder ist auf den Job nicht angewiesen.)
Dafür gab es aber weder Mehrwert noch Zusammenhalt, noch Erkenntnisse.
Im Ergebnis wurde übrigens ein “Kommunikationsregime” eingeführt, sprich: Solche und solche Sachen werden bitte per Mail besprochen, für diese und jene Dinge gibt es Meetings und Kleinigkeiten können per Messenger ausgetauscht werden. Ob sich daran gehalten wurde? Mal so, mal so.
Aber ist nicht das eigentlich einer der zentralen Zwecke von Organisationen? Also Guidelines für die gemeinsame Zusammenarbeit vorzulegen? Die kommunikative Basis vorzugeben, damit eben nicht der Vereinzelung und Individualisierung Raum gegeben wird?
Nur so ‘n Gedanke …
In modernen Unternehmen könnte man gar auf die Idee kommen, zusammen zu klären wie man gemeinsam an etwas arbeitet.
Lose-Lose-Situationen
Zusammengefasst: Zum vorgeblichen Zweck, über die eigene Zusammenarbeit zu reflektieren, um diese zu verbessern, wurde ein Format gewählt, das die notwendigen Informationen für die Reflexion gar nicht liefern konnte. Dafür aber widersprach sein grundlegender Impetus dem der Organisation als solcher diametral.
Immerhin hatten sich alle Mühe gegeben, eine oder zwei Stunden mit dem Ausfüllen verbracht und sich eine Verbesserung der Arbeitssituation erhofft. Eine klassische Lose-Lose-Situation.
Das Unternehmen, in dem ich diese interessante Praxis kennenlernen durfte, ist damit keineswegs allein. Unternehmen aller Branchen und Couleur scheinen sich den Drücken der omnipräsenten New Work zu beugen, die Mitarbeitenden zu allerhand Gedöns zu befragen oder alternative Arbeitsmodelle einzuführen.
Dabei ist oftmals zu beobachten, wie es sowohl am Verständnis der grundlegenden Konzepte (z.B. “New Work”) mangelt, wie auch am Handwerkszeug (z.B. Gestaltung von Umfragen). Indes: Je weniger man weiß, desto sicherer das Auftreten, das ist ja bekannt (und Grundlage erfolgreicher Geschäftsmodelle).
Man könnte sich ja mal ein paar ziemlich grundsätzliche Frage stellen:
Könnte es etwa sein, dass die Arbeit(sorganisation) der Auslebung meiner Individualität im Wege steht?
Liegt das in der Natur der Sache (also der Arbeit)?
Wenn ich diese beiden Fragen mit Ja beantworte, dann kann doch der Schluss daraus nicht lauten, dass wir die Art der Arbeit ändern müssten.
Sondern: dass wir die Art, mit Lohnarbeit als Teil des Lebens umzugehen, ändern müssten.
Übrigens ist das nicht exakt meine Idee, sondern die von Frithjof Bergmann, dem Boxer, Klavierlehrer und Philosophen, der als Begründer der New Work-Lehre allenthalben zitiert wird.
Ob der zwischen Clean Desk Policy und Holacracy in seinem noch recht frischen Grab rotiert oder ob er – geschmeichelt vom vielen Ruhm und Lob – gar nicht mitbekommen hat, wie krass missverstanden er wurde, kann ich nicht beurteilen.
Ihm ging es schließlich eigentlich ganz und gar nicht darum, wie man die Arbeit verbessern könne, sondern, wie man das Leben verbessern könne. Durch weniger Arbeit nämlich. Haha.
Encore: Schlüsse ziehen ohne Prämissen
In Burn After Reading gibt es diese tolle Schlussszene – Pun intended (DE / EN): Ein hoher Geheimdienstmitarbeiter berichtet seinem Vorgesetzten über Ermittlungsergebnisse – aus dem Gespräch geht hervor, dass beiden genau so viel klar geworden ist, wie dem Zuschauer: gar nichts. Die Figuren fragen sich, was sie aus dem Geschehenen lernen sollen – und stellen fest, dass es unmöglich ist, eine Lehre zu ziehen, wenn man nicht mal so recht weiß, woraus eigentlich.
Oder?
Matze
New Bits on the Blog
How-to Pressemitteilung Teil III
Denkt man an Pressearbeit, denkt man an Pressemeldungen. Nahezu jeder wichtige Schritt einer Organisation wird öffentlichkeitswirksam in Form einer Pressemitteilung aufbereitet und an Medien versendet. Wie man das am besten anstellt, kann hier und hier nachgelesen werden. Daraus folgt aber nicht automatisch, dass Pressetexte für jeden Zweck universal einsetzbar sind. In erster Linie sind sie ein Instrument zur Vermittlung relevanter Informationen. Nicht mehr und nicht weniger. Für Fälle, in denen ein anderes Ziel im Mittelpunkt steht als die reine Vermittlung von Fakten, sollten auch andere Formate in Betracht gezogen werden. Zum Blog
KIBI-BITES
Was die Kibibitse in den vergangenen Wochen so beschäftigt hat – Artikel, Bücher, Filme, News.
Ein zentrales Problem im kapitalistischen System stellt die Tatsache dar, dass es eine signifikante Diskrepanz gibt zwischen denen, die das Kapital erwirtschaften und denen, die es anhäufen. Stichwort: Wer viel Geld hat, der muss auch hart dafür gearbeitet haben. Dass das nicht stimmt, kann uns jede Pflegekraft bestätigen. Warum ändern wir nichts? Vor allem, wo wir doch immer deutlicher merken, dass uns der Neoliberalismus nicht die Antworten und Ergebnisse liefert, die wir uns erhofft haben. Surprise. “Wir leben in einer Zeit morbider Symptome, weil das Alte nicht funktioniert und wir noch nicht wissen, wie wir das Neue schaffen können. Aber das ist eine Situation, die zwar viel Gefahr birgt, aber auch viele Möglichkeiten”, sagt dazu die Philosophin Nancy Fraser und erläutert ihre Gedanken in einer Vorlesungsreihe im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Und auch hier zum Anhören im Deutschlandfunk.
Nicht zuletzt die digitale Revolution lässt uns Menschen regelmäßig glauben, wir seien die Krone der Schöpfung und würden das geballte Wissen der Menschheit in uns tragen und kultivieren. An vielen Stellen leitet sich daraus eine gewisse Arroganz gegenüber unseren vorangegangenen Generationen ab. Eine Auswahl gerne reproduzierter Mythen: “Die Menschen im Mittelalter hatten Angst, vom Erdrand zu fallen”, “Der Adel hat sich nur deshalb so stark parfümiert, weil sie sich ansonsten nie gewaschen haben”, “In Versailles haben die Leute in die Ecken und Gänge gekackt”, “Frauen, die rechnen konnten, wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt” und so weiter. Schaut man sich jedoch mal in der Menschheitsgeschichte um, stellt man fest, dass vieles von dem, was wir heute als selbstverständlich erachten, nicht von Elon Musk erfunden wurde, sondern ein paar Jährchen älter ist. Der Ursprung unseres demokratischen Systems entstand 500 vor Christus. Etwa zur gleichen Zeit postuliert Demokrit, dass die Natur aus Atomen zusammengesetzt sei. Auch im Mittelalter konnte man - ganz ohne KI - bereits Positionen und Bewegungen von Planeten berechnen (eine ganze Liste allein der physikalischen Entdeckungen gibt es hier). Und nicht zuletzt waren die Menschen des Mittelalters und der Antike in der Lage, Bauwerke zu errichten, für die komplexeste Berechnungen und solide Materialkenntnis notwendig waren (Beispiele: Pantheon, Pyramiden). Dass in Anbetracht dessen dennoch oft so getan wird, als seien die Menschen der vergangenen Epochen uns geistig und moralisch oft weit unterlegen, regt mich zutiefst auf. Und nicht nur mich. Bitte schaut Euch dazu diesen eloquenten Rant von Karolina Żebrowska an. Gehört in jeden Geschichtsunterricht. Und dann bitte Peter Watson lesen. Zum Beispiel “Ideen: Eine Kulturgeschichte von der Entdeckung des Feuers bis zur Moderne”.
Der “Midi”-Erfinder Dave Smith ist verstorben. Die Midi-Schnittstelle und mit ihr der Datenstandard war ursprünglich für die Kommunikation zwischen elektronischen Instrumenten vorgesehen. Man konnte beispielsweise mit einer Tastatur (einem Master-Keyboard oder einer Computer-Tastatur) mehrere Synthesizer ansteuern. Über das Midi-Protokoll konnte man Noten direkt über Software einspielen. Die eingespielten Noten können im Nachhinein verändert werden, weil die Steuerdaten (also sowas wie Anschlagsintensität und Länge der Note) gespeichert werden. Midi-Files waren dadurch digitalisierte Musik – reduziert auf die wesentlichen Informationen, die von maschinen les- und abspielbar waren. Die Datenmenge wurde dadurch sehr gering, was dazu führte, dass man alles mögliche an Zeug in Midi umwandelte bzw. direkt mit dem Midi-Sound-Gedanken schrieb und produzierte – das Format war dann ja doch recht limitiert. Das klang dann so. Oder aber so. Oder so. Oder so.
Mehr Musique in Le Monde Diplomatique: “Im Januar 2022 gab das Label Warner Chappell Music, zuständig für die Rechteverwertung des gesamten Musikkatalogs des Warner-Music-Konzerns, bekannt, man habe nach Verhandlungen mit den Rechtsnachfolgern David Bowies das gesamte Repertoire des Sängers erworben. Die Kaufsumme beläuft sich laut der Zeitschrift Variety auf über 250 Millionen Dollar. Auch Tina Turner, Bob Dylan und Bruce Springsteen standen wegen der astronomischen Summen, für die sie ihre Songrechte verkauft haben, im vergangenen Jahr in den Schlagzeilen: Schätzungen zufolge kassierte Turner 50 Millionen, Dylan 350 Millionen und Springsteen über 500 Millionen Dollar.”
Die Geschichte der Musikrechte als Kultur-Assets zeichnet Christophe Magis sehr lesenswert nach. Mehr in die Untiefen des Themas geht der immer streitbare und kluge Berthold Seliger, beispielsweise hier in Konkret: Teil 1, Teil 2Ach … Hier ist eine Deezer-Playlist mit Songs über Geld.
So viel für heute. Gehab Dich wohl! Bis zum nächsten kibibetter. Und wenn Du das hier gern gelesen hast: #sharingiscaring – Danke <3