kibibetter No. 8
Effizient vs. persönlich | Automatisch vs. weihnachtlich | Selbstlos vs. Investment | Schuh vs. Schaf
Na?
Hast du auch schon ein paar Weihnachtskarten auf deinem Büroschreibtisch gefunden oder aus dem Briefkasten gefischt? Über welche hast du dich am meisten gefreut? Und welche haben dich ein bisschen genervt, geärgert oder enttäuscht?
Mich selbst erfreuen immer die Grüße am meisten, denen man ansieht, dass sein/e Verfasser:innen sich ein kleines bisschen Mühe gegeben haben. Sich vielleicht ein bisschen Zeit genommen haben.
Am Beispiel von Grußkarten, zumal wenn es um einen besonderen Anlass geht, zeigt sich ein zentraler Widerspruch vom (B2B-)Marketing: Die Dichotomie von Automation und Beziehung.
Das Marketing-Ziel to kill all Marketing-Ziele
Wer Ziele Marketing bei Google sucht, findet eine Menge Hinweise darauf, welche Ziele Marketing denn so haben könnte (Neukundengewinnung, Steigerung des Umsatzes, Erhöhung der Markenbekanntheit, Verbesserung des Unternehmens-Images, den Customer Lifetime Value erhöhen, die Produktnachfrage erhöhen, etc.) und wie diese Ziele denn so sein sollten (SMART und messbar und so weiter).
Und das ist alles richtig.
Aber. All diesen quantitativen Zielen liegt eine Überzeugung zugrunde, die oft übersehen wird. Vielleicht weil sie so banal ist.
Schauen wir uns an, was B2B-Marketer eigentlich einen Großteil ihrer Zeit machen. Sie versuchen beispielsweise die fachliche Expertise der Kolleg:innen zu inszenieren: Im Blog und in Fachartikeln kommen sie demonstrieren sie ihre Kenntnis der Zielgruppen und ihrer Herausforderungen. Mithilfe sogenannter Trust-Elemente (Badges, Case Studies, Zitate von Kund:innen) wird außerdem bereits eingeheimster Erfolg kundgetan. Und das – Trust – ist eigentlich auch schon der Punkt.
Eigentlich geht es also darum, Vertrauen zu stiften.
Warum das so wichtig ist, ist schnell geklärt, es ist viel weniger esoterisch als es klingt. Die Menschen, die hinter den abstrakten Ideal Customer Profiles und den überzeichneten Personas stehen – Clemens oder Stéphane oder Martina oder Borja – sind allesamt mit ihren eigenen Agendas unterwegs und mit ihren eigenen Herausforderungen konfrontiert. Niemand von ihnen kann es sich erlauben, gewaltige Haufen Geld in einem Projekt/ einer Software/ einen Service zu versenken. Das Angebot muss also entweder sehr niederschwellig sein oder – wenn das nicht möglich ist – es muss Vertrauen da sein, dass das schon gut gehen wird.
Aber wie entsteht denn Vertrauen?
Persönlich personalisieren
Nun, einerseits, siehe oben, geht es natürlich darum, seine Expertise, Verlässlichkeit und so weiter, adressatengerecht zu inszenieren.
Aber Inszenieren ist nicht alles. Inszenierung ist die personalisierte Ansprache in deinem Newsletter oder in deinen Nurturing-Strecken. Das wirkt einigermaßen, darüber gibt es genug Studien. Aber es ist bloß ein kleiner Nudge. Alle kennen den Unterschied zwischen personalisiert und persönlich.
Personalisiert ist dein Tausend-Euro-MontBlanc-Füller mit deinem eingravierten Gekrakel drauf. Persönlich ist er, weil dein stolzer Dad ihn dir zum ersten Job geschenkt hat. Personalisiert ist dieses Memory-Spiel mit deinen Urlaubsfotos. Persönlich ist es, weil deine Freundin zwei Tage damit verbracht hat, ihren völlig wahnsinnigen Handyfotospeicher durchzuscrollen, um die schönsten Bilder zu finden.
Persönlich ist es, wenn sich jemand für dich Zeit nimmt und/oder sich für dich Mühe macht.
Personalisiert ist die Postwurfsendung von deiner Krankenkasse.
Nett: Der kleine Bruder von …
Personalisierung ist nett. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr. Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass wir personalisiert angesprochen werden. Das ist nichts Besonderes mehr: In Newslettern und Werbemails werden wir mit unserem Vornamen begrüßt, unsere News- und Social-Media-Feeds sind auf unsere Interessen zugeschnitten, Werbung wird auf unsere Vorlieben hin angepasst. Wer aus dieser personalisierten Content-Masse hervorstechen will, muss sich etwas anderes überlegen.
Beziehungen sind nicht skalierbar
Und hier liegt der zentrale Widerspruchshund des Marketings begraben:
Einerseits wollen wir möglichst viele Vorgänge automatisieren. Denn das spart Zeit und schafft Effizienz. Andererseits wollen wir persönliche Beziehungen aufbauen und erhalten.
Marketer:innen müssen sich darüber im Klaren sein, dass sich diese beiden Vorhaben nicht vereinbaren lassen.
Denn wo Personalisierung automatisierbar – und somit skalierbar – ist, sind es persönliche Beziehungen einfach nicht. Vertrauen entsteht eben nicht durch personalisierte Ansprachen, sondern nur durch das persönliche Sich-Zeit-Nehmen. Und unsere Zeit ist begrenzt. Nicht skalierbar.
Daher ist sie so wertvoll.
Wer seine Zeit mit anderen teilt, drückt dadurch seine Anerkennung, seine Achtung vor dieser Beziehung aus. Und das wird vom Gegenüber geschätzt.
Zeit geteilt, Vertrauen verdoppelt
Wenn ich mich an ein paar der besten Kundenbeziehungen aus einigen Jahren B2B-Marketing erinnere, dann haben diese eines gemeinsam: Sie sind selten dadurch entstanden, dass jemand nach einer Google-Suche über eine toll gestaltete Landingpage mit der passenden Ansprache gestolpert ist. Sondern immer durch eine persönliche Note.
Ich erinnere mich zum Beispiel an eine etwas schräge Marketing-Sales-Aktion, die ich mit meinem damaligen Trainee/Junior Marketer Marco gemacht hatte, eine Serie von Ausflügen auf Branchen-Messen. Für unsere Digital-Agentur wollten wir damals größere Mittelständler als Kunden gewinnen. Weil aus verschiedenen Gründen viele der zunächst anvisierten Kanäle nicht gangbar waren, entschieden wir uns für diesen Old-School-Weg: Wir machten einen Haufen Termine mit unseren Ziel-Personen auf einigen Branchen-Messen aus. Dann gingen wir in Vorleistung: Wir analysierten die Websites nach einem gewissen Kriterien-Katalog und leiteten Potenziale und Verbesserungsvorschläge ab. Unsere Ergebnisse packten wir in hübsche Präsentationen – natürlich personalisiert! Auf den Messen präsentierten den Mittelstandsentscheider:innen unsere Findings höchstpersönlich in einer guten halben Stunde. Die Präsentationen ließen wir jeweils in einer hübschen Mappe, auf einem USB-Stick sowie per Mail bei unseren Ansprechpartner:innen.
Natürlich wurde nicht aus jedem Gespräch ein Deal. Nichtsdestotrotz: Die Resonanz war enorm. Woran lag das wohl? Im Endeffekt haben wir denen doch nur einen Website-Check angeboten, wie etliche andere auch (die hier zum Beispiel). Aber eben mit einem wichtigen Unterschied:
Wir haben uns die Zeit genommen, die Unternehmen und die Herausforderungen der Mitarbeiter:innen zu verstehen. Und dann haben uns auch noch die Zeit genommen, unsere diesbezüglichen Ideen adressatengerecht aufzuarbeiten und schließlich den richtigen Leuten vorzustellen.
Unsere Zielgruppe hat den Unterschied zwischen personalisiert und persönlich gespürt.
Wir am Ende auch. Nach zwei Messetagen waren wir ziemlich fertig und hatten das Gefühl, nun mehrere Tage schweigend verbringen zu müssen.
Individuell vs. Automatisch
Das ist alles kein Hexenwerk, sondern eigentlich mehr oder weniger selbstverständlich. Aber – und wir erinnern uns an das eine Drittel der Marketing-Arbeit, die sich automatisieren lässt – dieses Sich-Zeit-Nehmen, die persönliche Mühe, die man sich gibt, die Beziehungspflege: Die lässt sich nicht automatisieren, nicht prozessualisieren und sie lässt sich auch nicht so richtig gut messen.
Der Grund ist so einfach wie einleuchtend:
Je höher der Grad der individuellen Anpassung, desto niedriger das Automatisierungspotenzial.
Und was heißt das nun für unsere Grußkarten?
Ganz einfach: Wenn du willst, dass deine Kontakten einen persönlichen Gruß von dir bekommen, nimm dir halt die Zeit und verfasse einen persönlichen Gruß.
Es gibt keine Automatisierung, keinen Prozess, der dir diese Arbeit abnehmen könnte.
Es gibt kein richtiges Mindset im falschen
Soll nun also jede Weihnachtskarte ein solitäres Kunstwerk sein? Nein. Das kann nicht der Anspruch sein. Aber: Investier’ einfach ein bisschen Zeit. Schreib deine Grüße persönlich. Das kommt gut an. Die Empfänger werden sich freuen, weil du ein bisschen Zeit für sie verbracht hast. Und das bringt einen am Ende selber in ein richtig besinnliches Weihnachts-Mindset.
Und das ist doch auch irgendwie nett.
In dem Sinne: Happy Holidays! Grüße aus der Gefangenschaft ;-)
New Bits on the Blog
How-to Pressemitteilung: Die Basics
Man kennt es: Die Jurist:innen im Freundeskreis müssen die Kündigungen des Handyvertrags Korrekturlesen, die Mediziner:innen den Beipackzettel erklären – aber auch Kommunikationsberater:innen sind gefragt: Wie bekomme ich Storytelling in meinen Lebenslauf? Ist dieser Text verständlich? Die Frage, die Kerstin jedoch mit großem Abstand am häufigsten gestellt wird, ist: Wie schreibt man eine Pressemitteilung? Im Blog macht sie sich an die Beantwortung.
KIBI-BITES
Weihnachtsedition
Das Aussuchen von Geschenken ist schwer zu personalisieren – auch wenn es hier und da versucht wird. Wie Matze oben bereits erläutert hat, erhält ein Geschenk dadurch seinen eigentlichen Wert, dass sich jemand Zeit nimmt und sich Gedanken um die zu beschenkende Person macht. Da die Weihnachtszeit wie immer knapp bemessen ist, kann es jedoch nicht schaden, sich hier und da etwas Inspiration einzuholen. Die Kibibits-Weihnachtselfen sind gern zur Stelle – routiniert und persönlich:
In unserem letzten Newsletter habe ich meine Vorliebe für eine bestimmte Art von Turnschuh offenbart. Was für den oder die eine schräg anmutet, ist für viele eine Leidenschaft oder sogar Design-Ästhetik, die weit über den Schuh als Kleidungsstück hinausgeht. Ob man das nachvollziehen kann oder nicht – für Turnschuh-Ästhet:innen im Freundes- oder Familienkreis gibt es eine nette Geschenkidee, die man zwar nicht anziehen, sich aber immer wieder anschauen kann: Bildband True Originals. Ganz phantastische Bücher ganz generell gibt es außerdem beim gestalten Verlag.
Wer den Geist der Weihnacht (noch) nicht spürt, der kann sich bei der Deutschen Spirituosen Manufaktur einfach einen anderen aussuchen: Fichtennadel oder Herbstlaub vielleicht? Wem das zu exotisch klingt, kann sich über Zitrusfrüchte und Gewürze (Kardamomgeist im Kaffee? Ja bitte!) ganz langsam in die Welt der Geister und Geiste vortasten. Alle, die zufällig mal in Berlin sind, können sich sogar im Store ein individuelles Geschenkset zusammenstellen (lassen) – und sich vorher einmal durchs Sortiment kosten.
Um sich wie die individuelle Schneeflocke zu fühlen, die man ist, geht der Trend schon seit Jahrzehnten weg von der Massenware hin zu maßgeschneiderten Produkten – seien es Urlaube, Autos oder Schmuck. Noch lieber mögen wir Dinge, deren Entstehung wir irgendwie miterlebt, beeinflusst oder wenigstens nachvollzogen haben (Marx anyone?). Für diejenigen zu beschenkenden, die gerne wissen, woher ihre Wolldecke stammt, bietet sich eine Schafpatenschaft. Mit dieser wird für ein (oder mehrere Jahre) ein wolliges Tierchen gehegt, gepflegt und irgendwann auch geschoren. Das Produkt erhält man am Ende per Post. Persönlich und personalisiert.
Alle (eurozentrische) Welt spricht über nachhaltigen Konsum, die Grenzen des Wachstums und zuviel Plastik. Merlind Theile augenzwinkert auf Zeit Online, dass auch aus dem Vorhaben, Dinge gebraucht zu besorgen, ein besonders wertvolles, weil zeitintensives Geschenk werden kann.
Wie man die Weihnachtlichkeit erfolgreich prozessualisieren – und somit vollkommen verhunzen kann, schreibt Robert Sieber in seiner kurzweiligen Berater- und Agile-Projektmanager-Weihnachtsgeschichte, in der die Weihnachtswichtel ITIL einführen.
Und wie sieht’s mit Geschenken aus? Hier sind Dinge, bei denen Miteinander-Zeit-verbringen im Vordergrund steht:
Diese Spaghettiwesternparodisten-Whiskys von St. Kilian passen sicherlich vorzüglich zu einem abenteuerlich-albernen Filmabend mit “Gott verzeiht … Django nie”, dem ersten Film, des Duos Bud Spencer und Terence Hill in den Hauptrollen. Wer mehr Klamauk braucht, kann sich im wilden Osten ein paar Kugeln einfangen: Terence Hill hat in seiner Kindheitsheimat Dresden unter seinem echten Namen den Eissalon Gelateria Girotti eröffnet. Bang, bang!
Weihnachtsessen muss nicht Gans traditionell sein. Aber ein bisschen. Wir haben uns dieses Jahr für einen Weihnachts-Burger entschieden: Pulled Duck, Rotkohl, Pflaumensauce, Orangen-Mayonnaise und lebkuchige Brioche-Buns. Das ist schon in der Mache nicht ganz unaufwändig. Aber halt ziemlich geil.
Zum Rezept (nicht nachmachen. Selber machen!)Wer so viel gegessen hat, sollte einen Verdauungsspaziergang machen. Und Spaziergänge, das wird wohl eh die Freizeitbeschäftigung des Winters werden.
Ich empfehle: Festes Schuhwerk, ein, zwei liebe Menschen, mit denen man gern eine Weile unterwegs ist sowie die App Komoot. Mit dieser kann man sich bestens auf eine bierbegleitete Wanderung vorbereiten, beispielsweise mit einer Tour zu den schönsten öffentlichen Toiletten der eigenen Heimatstadt. Ein Aspekt, der zum Leben so dazugehört und doch so oft vernachlässigt wird.
Nicht von mir! Zu den schönsten öffentlichen Toiletten Berlins (20,6 km, 5,3Std., 100 Höhenmeter, gute Kondition erforderlich)
So viel für heute. Gehab Dich wohl! Bis zum nächsten kibibetter. Bis dahin wünschen wir Dir eine schöne, gemütliche und möglichst stressarme Weihnachtszeit im richtigen #mindset. Wir sind da zugegebenermaßen noch ein bisschen auf der Suche ;)
Und von Dir wünschen wir uns auch etwas: Falls Du das hier gern gelesen hast, würden wir uns freuen, wenn Du das weitersagst. Denn #sharingiscaring. Und: Weihnachten und so.